Verfassungswidrige Propagandamittel und Kennzeichen

Häufig gestellte Fragen und Antworten

Welche Äußerungen sind verfassungswidrige Propagandamittel und welche Symbole sind verfassungswidrige Kennzeichen – und welche sind es nicht (§§ 86, 86a StGB)?

Unter die strafbaren Propagandamittel im Sinne des § 86 StGB fallen u.a. neben den bekannten nationalsozialistischen Schriften – verwenden Sie diese also nicht:

– Schriften zum Thema “Rassebewußtsein” (OLG Celle, Urteil vom 14.01.1997, Az. 1 Ss 271/96, zu finden in NStZ 1997, 495),

– die Parole, man solle „alles“ geben „für Deutschland“ (BVerfG, Beschluss vom 24.05.2006, Az. 1 BvR 693/06),

– die Parole, die Rotfront solle “verrecken” (BGH, Urteil vom 04.03.1987, Az. 3 StR 575/86, zu finden in MDR, 1988, 353),

– die Werbung für eine Versammlung auf der Wewelsburg zum Thema „Ruhm und Ehre“ sei der Waffen-SS zu geben (BGH, Beschluss vom 15.05.2003, Az. 3 StR 154/03).

Umstritten ist es, ob die folgenden Schriften verfassungswidrige Propagndamittel sind oder nicht, es liegen hier sowohl Verurteilungen als auch Freisprüche vor – verwenden Sie sie daher sicherheitshalber nicht:

-nationalsozialistische Schriften im Original, wie zum Beispiel das Buch „Mein Kampf“.

Nicht unter die verfassungswidrigen Propagandamittel im Sinne des § 86 StGB fallen dagegen und sind daher erlaubt:

– die kommentarlose Aneinanderreihung von Wehrmachtsberichten, Reden Adolf Hitlers und Reportagen aus dem Zweiten Weltkrieg (BGH, Urteil vom 23.07.1969, Az. 3 StR 326/68, zu finden in BGHSt 23, 64),

-die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2010, Az. 1 BvR 1106/08, zu finden in www.bundesverfassungsgericht.de).

Unter die strafbaren Kennzeichen iSd § 86a StGB fallen neben den bekannten nationalsozialistischen Kennzeichen, wie Hakenkreuze, Siegrune(n) und Hitlerbildern, – verwenden Sie diese also nicht:

– der Totenkopf (EuGH, Beschluss vom 05.07.2005, Az. ECHR-Lger11.OR (CD1),

-die Wolfsangel (OLG Rostock, Urteil vom 09.09.2011, Az. 1 Ss 31/11 I 47/11, zu finden in openjur 2012_55554),

-das Abzeichen der NSV, eine verschlungene Wolfsangel mit Triskele (OLG Zweibrücken, Urteil vom 09.02.2023, Az. 1 OLG 2 Ss 40/22, zu finden unter ECLI:DE:POLGZWE….)

– das Keltenkreuz (BGH, Beschluss vom 01.10.2008, Az. 3 StR 164/08, zu finden in NStZ 2009, 384),

– das „Gauabzeichen“ oder „Obergaudreieck“ (BGH, Beschluss vom 31.07.2001, Az. 3 StR 495/01, zu finden in NJW 2002, 3186),

-der Schriftzug „Blood“ mit einer Triskele und „Honour“ (OLG Jena, Urteil vom 17.02.2015, Az. 1 OLG 181 Ss 107/14 (296), zu finden in openjur 2021_11620),

– die Grußform „Mit deutschem Gruß“ in einem Brief (BGH, Urteil vom 08.09.1976, Az. 3 StR 280/76 (S), zu finden in BGHSt 27,1),

– die Parole, „unsere Ehre“ heiße „Treue“ (OLG Hamm, Urteil vom 17.04.2002, Az. 2 Ss 160/02, zu finden in NStZ-RR 2002, 231),

die Parole, Deutschland solle „erwachen“ (OLG Jena, Urteil vom 06.06.2019, Az. 1 OLG 191 Ss 39/79, zu finden in openjur 2021_11390),

-das Brustbild von Heinricht Himmler (OLG München, Urteil vom 07.05.2015, Az. 5 OLG 13 Ss 137/15, zu finden in openjur 2015_9433),

– das “Horst-Wessel-Lied” mit richtigem und auch mit verfremdeten Text (BayObLG, Urteil vom 19.07.1962, Az. Rreg 4 St 171/62, zu finden in NJW 1962, 1878 und OLG Oldenburg, Urteil vom 05.10.1987, Az. Ss 481/87, zu finden in MDR 1988, 251),

– das Lied vom “Wildschützen Jennerwein”, dessen Melodie der des “Horst-Wessel-Liedes” ähnelt (BayObLG, Urteil vom 15.03.1989, Az. Rreg 3 St 133/88, zu finden in NJW 1990, 2660),

– das Lied „Es zittern die morschen Knochen“ (OLG Celle, Urteil vom 03.07.1990, Az. 3 Ss 88/90, zu finden in NJW 1991, 1497),

– das Lied „Einst kommt der Tag der Rache“ (LG Köln, Beschluss vom 23.06.2006, Az. 154-65/05),

-das Lied „Ein junges Volk steht auf“ (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26.04.2012, Az. 11 ME 113/12, zu finden in openjur 2012_68362),

einzelne Liedzeilen aus nationalsozialistischen Liedern, – entschieden wurde über die Parole „Sohn Frankens/die Jugend stolz/“ mit dem Zusatz, „die Fahnen“ sollten „hoch“ (BVerfG, Beschluss vom 18.05.2009, Az. 2 BvR 2202/08, zu finden in NJW 2009, 2805),

– alle Fahnen, Abzeichen, Uniformteile, Parolen, Grußformen und Kennzeichen verbotener, verfassungswidriger Parteien und verbotener Vereine, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richteten sowie deren Ersatzorganisationen,

 – alle Kennzeichen, die den verfassungswidrigen Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich sind. 

Umstritten ist es, ob die folgenden Zeichen verfassungswidrige Kennzeichen sind oder nicht, – verwenden Sie diese also sicherheitshalber nicht:

die germanischen Runen,

– die Triskele,

– das Thor-Steinar-Abzeichen,

– zwei Mal die Zahl “Acht”,

– der Gruß „Heil“,

– das Bildnis von Rudolf Hess.

Nicht unter die verfassungswidrigen Kennzeichen iSd § 86a StGB fallen dagegen und sind somit erlaubt:

– ein Hemd mit dem Markennamen „Consdaple“ (OLG Hamm, Urteil vom 08.10.2002, Az. 2 Ss 407/03),

– ein Wappen mit zwei gekreuzten Handgranaten, weil es ein solches Zeichen bei der Waffen-SS nicht gab (LG München, Beschluss vom 11.08.2009, Az. 2 Qs 8/09),

-Bierflaschen mit der Aufschrift „Deutsches Reichsbier“ und einem Reichsadler, einem Eichenkranz und einem Eisernen Kreuz (LG Halle, Beschluss vom 09.06.2021, Az. 10a Qs 24/21, zu finden in openjur 2021_22753),

– die schwarz-weiß-rote Reichskriegsflagge mit Balkenkreuz, also ohne Hakenkreuz (VGH Mannheim, Beschluss vom 15.06.2005, Az. 1 S 2718/05),

– die dritte Strophe des Deutschlandliedes “Einigkeit und Recht und Freiheit…“  (BVerfG, Beschluss vom 07.03.1990, Az. 1 BvR 1215/87, zu finden in NJW 1990, 1985),

-der Badenweiler Marsch (VG Münster, Urteil vom 28.11.2014, Az. 1 K 2698/13),

– verfassungswidrige Kennzeichen, wenn sie in englischer Sprache verfaßt sind (BGH, Beschluss vom 13.08.2009, Az. 3 StR 228/09, zu finden in NJW 2010, 163),

-verfassungswidrige Kennzeichen, wenn sie nicht in den Schutzzweck des § 86a StGB fallen, weil sie als Zeichen der Ablehnung und Gegnerschaft deutlich gezeigt werden (BGH, Urteil vom 15.03.2007, Az. 3 StR 486/06, zu finden in NStZ 2007, 466).

Welche Handlungen sind im Zusammenhang mit verfassungswidrigen Propagandamitteln und Kennzeichen strafbar – und welche sind erlaubt (§§ 86, 86a StGB)?

Die folgenden Tathandlungen der § 86a StGB sind strafbar, – unterlassen Sie es also –, die genannten Propagandamittel bzw. Kennzeichen

– zu verbreiten,

– zur Verbreitung im Ausland herzustellen,

– zur Verbreitung im Ausland herzustellen,

– vorrätig zu halten,

– einzuführen,

– auszuführen,

– im Ausland zu verwenden, wenn dies über das Fernsehen in die BRD ausgestrahlt wird (KG, Urteil vom 16.03.1999, Az. 1 Ss 7/98, zu finden in NJW 1999, 3500).

Umstritten ist es, ob eine strafbare Tathandlung vorliegt oder nicht, es liegen hier sowohl Verurteilungen als auch Freisprüche vor, – unterlassen Sie dies also sicherheitshalber:

– das unauffällige Tragen eines Fingerringes mit verfassungswidrigem Kennzeichen in der Öffentlichkeit.

Es ist nur erlaubt, die genannten Propagandamittel und Kennzeichen

– privat zu besitzen, also jeweils ein einziges Stück in seiner Wohnung oder in seiner privaten Sammlung aufzubewahren (Thür. OLG, Beschluss vom 20.07.1995, Az. 1 Ws 71/95 Vollz und LG Flensburg, Beschluss vom 26.06.1986, Az. II Qs 147/86),

– privat zu sammeln, ohne sie zu veröffentlichen (OLG Bremen, Beschluss vom 03.12.1986, Az. Ws 156/86, zu finden in NJW 1987, 1427 und LG Traunstein, Urteil vom 02.12.1996, Az. 3 Ns 130 Js 3971/96),

– in seiner Wohnung aufzuhängen, wenn dies von außen nicht eingesehen werden kann, (OLG Hamburg, Urteil vom 05.10.1993, Az. 1 b Ss 43/93),

– in einem Geldbeutel verschlossen mit sich zu führen (OLG Bremen, Beschluss vom 31.03.2000, Az. 220 Js 13578/99),

– für Dritte unsichtbar unterhalb des Pullovers oder unterhalb der Jacke zu tragen (OLG Dresden, Urteil vom 19.06.2000, Az. 2 Ss 177/00 und AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 23.05.1995, Az. 81 Js 1882/94),

– ein Einzelstück an eine andere Person weiterzugeben, die es bei sich behält (OLG Bremen, Beschluss vom 03.12.1986, Az. Ws 156/86),

– bei einer privaten Feier, z.B. einer Geburtstagsfeier auf einem privaten Grundstück, das von außen nicht einsehbar ist, zu zeigen (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.02.1981, Az. 1 Ws 66/81, zu finden in MDR 1981, 600),

– bei einer privaten Feier, z.B. einem Klassentreffen, bei der nur Personen anwesend sind, die durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind, und an der keine fremden Personen teilnehmen, zu zeigen (OLG Celle, Urteil vom 10.05.1994, Az. 1 Ss 71/94, zu finden in NStZ 1994, 440 und OLG Braunschweig, Beschluss vom 27.05.1994, Az. Ss (S) 34/94, zu finden in NstE Nr. 9 zu § 86a StGB, und OLG Celle, Urteil vom 13.02.1996, Az. 1 Ss 13/96).

Eine Verbreitung bzw. Verwendung verfassungswidriger Propagandamittel und Kennzeichen ist ausnahmsweise dann erlaubt, wenn dies unter die sogenannte Sozialadäquanzklausel des §§ 86 III bzw. 86a III StGB fällt. Dies ist der Fall, wenn die Verbreitung oder Verwendung verfassungswidriger Propagandamittel oder Kennzeichen der Kunst, der Wissenschaft, der Berichterstattung über Vorgänge der Zeitgeschichte oder ähnlichen Zwecken dient.

Nicht unter die Sozialadäquanzklausel fallen nach der Rechtsprechung, die folgenden Handlungen sind daher strafbar, – unterlassen Sie daher die folgenden Tätigkeiten:

– die Verwendung des Hakenkreuzes auf einem Buchumschlag oder auf einer Schallplattenhülle zum Zwecke reißerischer Käuferwerbung (BGH, Urteil vom 23.07.1969, Az. 3 StR 326/68, zu finden in BGHSt 23, 64 ff., 78 und LG München, Urteil vom 28.09.1984, Az. 5 KLs 115 Js 5535/82, zu finden in NStZ 1985, 311),

– die Verwendung des Hakenkreuzes auf Spielzeug-Flugzeugen (BGH, Urteil vom 25.04.1979, Az. 3 StR 89/79, zu finden in BGHSt 28, 394),

– die Verwendung des Kopfbildes von Adolf Hitler in einer Zeitschrift mit rechtsextremistischem Inhalt (OLG Schleswig, Urteil vom 14.12.1977, Az. 1 Ss 706/77, zu finden in MDR 1978, 333),

– die Verkleidung bei einem Faschingsumzug als „Hitler“, der „Sieg Helau“ ruft (AG Münsingen, Urteil vom 01.09.1977, Az. 2 Ds 79/77).

Unter die Sozialadäquanzklausel fallen dagegen die folgenden Handlungen, sie sind also erlaubt:

– das Anbieten von Uniformteilen und Orden mit dem Hakenkreuz nur unter der Voraussetzung, dass die Käufer sie ausschließlich zu den unter der Sozialaqäquanzklausel gebilligten Zwecken verwenden (BGH, Urteil vom 25.05.1983, Az. StR 67/83 (S), zu finden in BGHSt 31, 383).

Ist das Deutschlandlied strafbar (§ 86a StGB)?

Am 29.11.2003 wurde am Ende einer Demonstration in Lüneburg eine Tonbandkassette abgespielt, auf der das Deutschlandlied in allen drei Strophen zu hören war. Die Versammelten sangen das Lied mit. Der Einsatzleiter der Polizeikräfte vor Ort war daraufhin der Meinung, dass das Absingen des Liedes der Deutschen in allen drei Strophen den Straftatbestand des § 86a StGB (Verfassungswidrige Kennzeichen) erfüllen würde, und stellte die Tonbandkassette sicher.

Auf den Widerspruch des Beschuldigten hin hob das Amtsgericht Lüneburg durch Beschluss vom 15.12.2003, Az. NZS Gs 419/03, diese Beschlagnahme auf und ließ die Tonbandkassette dem ehemals Beschuldigten wieder zurückgeben. Das Gericht stellte in wünschenswerter Deutlichkeit u.a. fest:

„Die als Beschlagnahme anzusehende Sicherstellung entbehrt jeder Grundlage. Das Abspielen der deutschen Nationalhymne unterfällt nicht dem Straftatbestand des § 86a StGB. Das „Lied der Deutschen“ stellt kein Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation dar, sondern ist die deutsche Nationalhymne, d.h. nationales Symbol, welches explizit in § 90a Abs. 1 Ziff. 2 StGB unter den Schutz vor Verunglimpfungen gestellt wird. Auch der Text der 1. Strophe unterfällt nicht der Vorschrift des § 86a StGB (…). Die deutsche Hymne ist nach ganz einhelliger Meinung das „Lied der Deutschen“ mit dem Text von Hoffmann von Fallersleben und der Musik von Joseph Haydn (…). Seit der Entscheidung des Bundespräsidenten Heuss aus dem Jahre 1952 ist dies anerkannt und kaum bestritten (…). Weiter ist einheitlich anerkannt, dass aufgrund der Entscheidung des Bundespräsidenten, bei öffentlichen Anlässen, d.h. bei staatlichen Akten der Bundesrepublik Deutschland, lediglich die 3. Strophe des Deutschlandliedes als Text gesungen werden soll (…). Damit ist jedoch in keinem Fall der übrige Teil des Textes oder der Hymne als verboten anzusehen oder gar als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation einzuordnen (…). Das Gericht zeigt sich zugegebenermaßen überrascht, dass nach Einschätzung der Polizei in Deutschland das Absingen der eigenen Nationalhymne offenkundig als Verwirklichung eines Straftatbestandes angesehen wird (…).

Das BVerfG hat demgegenüber in seinem Beschluss vom 07.03.1990, Az. 1 BvR 1215/87, zu finden in NJW 1990, 1985, festgestellt, dass nur die 3. Strophe des Deutschlandliedes unter den Schutz des § 90a StGB fällt, weil nur diese Strophe bei staatlichen Anlässen gesungen wird.